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Die Marien-Ballade

die Villon seiner Mutter gedichtet hat

„Du Himmelskönigin, im Gold und Blau der Ewigkeit,
Du Schmerzensweib und Leid von meinem Leid,
nimm meine Stimme gnädig auf zu Dir!
Ich bin ja nur ein armes Waisenweib,
krümme mich noch tiefer in den Staub als Wurm und Tier,
ich habe solche Angst in Dein Gesicht hineinzusehn
und kann doch ohne Dich nicht einen Schritt weit gehen.

Empfiehl Du mich der Gnade Deines Sohnes, tu ihm kund,
dass meine Knie vom Beten schon ganz wund
geworden sind. Ich will die eingeborne Schuld
mit meinem letzten Seufzer büßen, wenn er mir vergibt,
wie seinen Feinden er verziehn und den Verräter noch geliebt
und aufgehoben hat in Mitleid und Geduld.
O, Mutter unser, lass mich nicht so lang im Dunkeln stehn,
ich kann ja ohne Dich nicht einen Schritt weit gehen.

Bin eine alt und grau gewordne Frau
und trinke Tag und Nacht den Tränentau
der Einsamkeit. Bin keinem mehr was wert
und keiner kommt und hebt mich aus dem Elend auf.
Du aber stehst so strahlend da im Lauf
der ewigen Gestirne... und das Schmerzensschwert
in Deiner Brust ist lauter Licht. O falt es in mein Flehn
und lass mich nicht noch weiter elend gehen.“

Oft tönt in meinem Witwenkral
Gesang der Nonnen und der Brüder Buß-Choral.
Im Kloster, ja, da ist das Paradies so nah
und auch der Hölle Feuer angefacht.
Das eine macht mich froh in kalter Winternacht,
das andere, mit Blitz und Donnerton geschah
schon tausendmal in mir. Ich aber will noch höher wehn,
will jeden Schritt nur mit Marias Segen gehen.


Text: François Villon, Nachdichtung: Paul Zech