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Eine kleine Ballade von dem Mäuslein

das in Villons Zelle Junge bekam

Es schwamm der Mond in mein Gemach hinein,
weil er da draußen so allein
bei den entlaubten Bäumen stand.
Ich habe ihm ein Kissen hingerückt,
damit er ruhen konnte, und er tats beglückt
sich untern Kopf. Ich legte ihm die Hand
schnell auf die Augen, und da schlief er auch.
Mich aber plagte schlechte Luft im Bauch.

Sie plagte mich, bis eine Uhr schon zwölfe schlug.
Da hatte ich verdammt genug
und ließ sie ab, die Luft. Davon ist zwar
der Mond nicht aufgewacht, doch in dem Fenstereck
die Mäusefrau. Sie hat im ersten Schreck
geboren, was noch gar nicht gar nicht fällig war.
Die kleinen rosa Schnauzen piepsten da so nett,
dass ich sie zu mir nahm ins warme Bett.

Mein Gott, die lütten Dinger, noch ganz nackt
und blind: Wie hat das Elend mich gepackt!
Ich glaub, dass mir was Nasses in die Augen kam.
Dabei hat manches Mädchen schon von mir
ein Kind gekriegt und starb vor Scham.
Die armen Würmer aber kuschten sich
in meine Hand, als wäre ich ihr Vater Mäuserich.

Zuletzt war auch die Mäusefrau so zahm
geworden, dass sie schwänzelnd zu mir kam.
Die schwarzen Augen glänzten froh und gross
in mein Gesicht hinein.
Und plötzlich war ich auch so mäuseklein
wie dieses Tier und nahm es in den Schoß.
Ich habe wohl die ganze Nacht mit ihr verbracht
und an kein andres Weib dabei gedacht.

Nachgedanken:

Im milden Licht der Winternacht
hab ich mich zu den Mäusen aufgemacht.
Du aber fragst, warum denn nur?
Hör zu, es ist kein Tier so klein,
das nicht von dir ein Bruder könnte sein.


Text: François Villon, Nachdichtung: Paul Zech