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Die Ballade von einem netten kleinen Barbier

(Der kleine Herr Ranunkel aus Brabant)

Er war, wie ich, sagt man, ein Bösewicht.
Ich aber sage euch, das gibt es nicht,
dass noch ein andrer so berühmt sein kann
wie ich. Ihr tut ihm unrecht, dem Barbier.
Er war in jedem Fall ein Edelmann
und gab statt drei Dukaten lieber vier,
wenn er an einem Mädchen seine Freude fand,
der kleine Herr Ranunkel aus Brabant.

In seiner Jugend hatte er nur das,
was er beim Baden sah im Spiegelglas.
Im Sommer war der Wald sein Nachtgemahl,
der nährte ihn mit Wurzelwerk und Tau.
Und auch im Winter war es ihm egal,
ob er im Fuchsloch oder Ziegelbau
für seinen Kopf ein warmes Lager fand,
der kleine Herr Ranunkel aus Brabant.

An einem breiten Fluss sah er ein Schiff
gestrandet wie auf einem Felsenriff.
Er hat es flottgemacht und wollte gleich
ins weite Meer hinaus und fand sie nie,
die grüne Insel auf dem großen Teich,
nur Wind, der wild nach seinem Leben schrie,
weil er den Kniff beim Segeln nicht verstand,
der kleine Herr Ranunkel aus Brabant.

Und als er immer kühner wurde und
auch mit dem Messer stach, der freche Hund,
hat ihn der Club zum Hauptmann auserwählt.
Da wurde er in dem Latein-Quartier
nur wohl zum Schein ein hurtiger Barbier
und hat die Männer alle abgekehlt,
die man am Fluss mit leeren Taschen fand,
der kleine Herr Ranunkel aus Brabant.

Und als er seinen Lohn dafür bekam
und hängen sollt am Platz von Notre-Dame;
da haben sich die Frauen aus der Stadt
zum Bürgermeister auf den Weg gemacht
und taten schließlich auch das Feigenblatt
noch ab und sagten, dass er jede Nacht
bei ihnen war, der da beim Henker stand,
der kleine Herr Ranunkel aus Brabant.

Da hat der Rat ihm nur das Fleisch verbrannt
mit einem Schimpf und in den Wald verbannt.
Und wenn ihr glaubt, dass er schon längst vor Qual
verhungert ist, habt ihr noch immer nicht
gemerkt, dass man im Wald auch ohne Licht
die Haselnüsse pflücken kann, zumal
er diese Liebe noch viel schöner fand,
der kleine Herr Ranunkel aus Brabant.


Text: François Villon, Nachdichtung: Paul Zech