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"Palästina-Lied"

Ein Kreuzzugsaufruf von Walther von der Vogelweide.


1

Allerêrst lebe ich mir werde,
sît mîn sündic ouge siht
Daz reine lant und ouch die erde
den man sô vil êren giht.
Mirst geschehen des ich ie bat,
ich bin komen an die stat
dâ got mennischlîchen trat.

Jetzt erst erfahre ich mein Leben als wesentlich,
da mein sündiges Auge
das heilige Land sieht und die Erde,
die man so verehrend preist.
Ich habe erfahren, worum ich immer gebetet habe:
Ich bin an die Stätte gekommen,
wo Gott als Mensch wandelte.

2

Schoeniu lant rîch unde hêre,
swaz ich der noch hân gesehen,
Sô bist duz ir aller êre.
waz ist wunders hie geschehen!
Daz ein magt ein kint gebar
hêrre über aller engel schar,
was daz niht ein wunder gar?

Schöne Lande, reich und herrlich,
wie viele ich auch von ihnen gesehen habe,
du bist doch ihrer aller höchstes!
Welch Wunder ist hier geschehen!
Dass eine Jungfrau ein Kind gebar,
Herr über die himmlischen Heerscharen,
war das nicht ein wahres Wunder?

3

Hie liez er sich reine toufen,
daz der mensche reine sî.
Sît liez er sich hie verkoufen,
daz wir eigen wurden frî.
Anders waeren wir verlorn.
wol dir, sper kriuz unde dorn!
wê dir, heiden! deist dir zorn.

Hier ließ er, der Reine, sich taufen,
auf dass der Mensch rein sei.
Dann ließ er sich verraten (verkaufen),
dass wir Eigenleute (Leibeigene) frei würden,
sonst wären wir verloren gewesen.
Dank dir, Speer, Kreuz und Dorn!
Weh euch Heiden, ihr empört euch darum!

4

Do er sich wolte übr uns erbarmen,
hie leit er den grimmen tôt.
Er vil rîche durch uns armen,
daz wir komen ûz der nôt.
Daz in dô des niht verdrôz,
dast ein wunder alze grôz,
aller wunder übergnôz.

Dort opferte er sich für uns,
hier litt er den Tod,
???

5

Hinnen fuor der sun zer helle
von dem grabe, da’r inne lac.
Des was ie der vater geselle,
und der geist, den niemen mac
Sunder scheiden: êst al ein,
sleht und ebener danne ein zein,
als er Abrahâme erschein.

Von hier fuhr der Sohn zur Hölle,
aus dem Grab, in dem er lag,
Dabei war ihm immer der Vater zur Seite,
und der Geist, den niemand
wirklich erkennen kann: Es ist ganz eines,
gerade und eben wie ein Pfeilschaft,
so wie er Abraham erschien.

6

Do er den tievel dô geschande,
daz nie keiser baz gestreit,
Dô fuor er her wider ze lande.
dô huob sich der juden leit,
Daz er hêrre ir huote brach,
und man in sit lebendic sach,
den ir hant sluoc unde stach.

Als er den Teufel dann so geschändet hat,
wie nie ein Kaiser gekämpft hat,
kam er zurück auf die Erde.
Da geschah, was die Juden schmerzt:
dass er, der Herr, ihre Wache durchbrach,
und man ihn lebend sah,
den ihre Hand geschlagen und gestochen hatte.

7

Dar nâch was er in dem lande
vierzic tage: dô fuor er dar
dannen in sîn vater sande.
Sînen geist, der uns bewar,
den sant er hin wieder zehant.
Heilic ist daz selbe lant:
Sîn name ist vor gote erkant.

Er weilte in dem Land vierzig Tage,
dann fuhr er fort zu seinem Vater.
Seinen Geist, der uns schützt,
sandte er uns wieder her.
Dieses Land ist heilig:
sein Name ist Gott bekannt.

8

In diz lant hât er gesprochen
einen angeslîchen tac,
Dâ diu witwe wirt gerochen
und der weise klagen mac
Und der arme den gewalt
der dâ wirt an ime gestalt.
wol im dort, der hie vergalt!

In diesem Land hat er befohlen
den letzten Tag,
an dem die Witwe gerächt wird
und die Waisen Klage erheben,
und die Armen gegen die Gewalt,
die sich an ihnen ausläßt.
Wohl dem dort, der hier seine Schuld beglich!

9

Unser lantrehtære tihten
fristet dâ niemannes klage:
Wan er wil zestunt dâ rihten,
so ez ist an dem lesten tage:
Swer deheine schult hie lât
unverebenet, wie der stât
dort da er pfant noch bürgen hât!

... Landrecht ...???
Wenn er dann am letzten Tage
Gericht halten wird,
Wehe dem. der seine Schuld hier
nicht ausgeglichen hat, denn dort
hat er weder Pfand noch Bürgen.

10

Nû lât iuch des niht verdriezen,
daz ich noch gesprochen hân.
Ich wil iu die rede entsliezen
kurzlîch und iuch wizzen lân,
swaz got mit dem menschen ie
wunders in der werlt begie,
daz huob sich und endet hie.

Nun lasst euch nicht verdrießen,
dass ich so lange gesprochen habe.
Ich will meine Rede nun beenden,
und euch wissen lassen,
???

11

Kristen juden unde heiden
jehent daz diz ir erbe sî:
Got müez ez ze rehte scheiden
durch die sîne namen drî.
Al diu welt diu strîtet her:
wir sîn an der rehten ger,
reht ist daz er uns gewer.

Christen, Juden und Heiden
behaupten, dies sei ihr Erbe (Erbland).
Gott möge es gerecht entscheiden,
im Namen seiner Dreieinigkeit.
Alle Welt streitet hier:
Wir aber sind auf der richtigen Seite,
Gerecht ist, was er uns gewährt.


Zitiert nach: Walther von der Vogelweide: Gedichte. Mittelhochdeutscher Text und Übertragung. Fischer, Frankfurt 1963. (Strophen 4, 7, 9, 10 fehlen dort und werden nach einer Kopie unbekannter Quelle zitiert. Dilettantische Übertragung von Hraban. Verbesserungen sind willkommen!)
Anmerkung: Walther war nie im »Heiligen Land«. Das Lied ist höchstwahrscheinlich eine Auftragsarbeit.
Musik nach: Ronald J. Taylor, Die Melodien der weltlichen Lieder des Mittelalters, Melodienband. Sammlung Metzler, Stuttgart 1964.
Die Gruppe „Ougenweide“ hat das Lied in einer banalisierten Version bekannt gemacht.
Auf der CD »QNTAL II« wird das Lied von Sigrid Hausen »richtig« gesungen, die moderne Begleitung ist Geschmackssache.


Original von Walther:

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angerweit sang die Melodie so:

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