Der Emigrantenchoral
Werft
eure Herzen über alle Grenzen
und wo ein Blick grüßt, werft die Anker aus!
Zählt auf der Wandrung nicht nach Monden, Wintern, Lenzen,
starb eine Welt ihr sollt sie nicht bekränzen!
Schärft
das euch ein und sagt: Wir sind zu Haus!
Baut euch ein Nest!
Vergesst vergesst,
was man euch aberkannt und euch gestohln!
Kommt ihr von Isar, Spree und Waterkant:
Was gibts da heut zu holn?
Die ganze Heimat
und das bisschen Vaterland,
die trägt der Emigrant
von Mensch zu Mensch von Ort zu Ort
an seinen Sohln, in seinem Sacktuch mit sich fort.
Tarnt
euch mit Scheuklappen mit Mönchskapuzen:
Ihr werdet doch die Schädel drunter beuln!
Ihr seid gewarnt: das Schicksal läßt sich nicht uzen –
wir wolln uns lieber mit Hyänen duzen,
als drüben mit den Volksgenossen heuln!
Wo ihr auch seid:
Das gleiche Leid
auf ner Wildwestfarm einem Nest in Poln.
Die Stadt, der Strand, von denen ihr verbannt:
Was gibts da noch zu holn?
Die ganze Heimat
und das bisschen Vaterland,
die trägt der Emigrant
von Mensch zu Mensch von Ort zu Ort
an seinen Sohln, in seinem Sacktuch mit sich fort.
Werft
eure Hoffnung über neue Grenzen –
reißt euch die alte aus wien hohlen Zahn!
Es ist nicht alles Gold, wo Uniformen glänzen!
Solln sie verleumden sich vor Wut besprenzen -
sie spucken Hass in einen Ozean!
Lasst sie allein
beim Rachespein.
Bis sie erbrechen, was sie euch gestohln,
das Haus, den Acker Berg und Waterkant.
Der Teufel mag sie holn!
Die ganze Heimat
und das bisschen Vaterland,
die trägt der Emigrant
von Mensch zu Mensch landauf, landab.
Und wenn sein Lebensvisum abläuft, mit ins Grab.
Text: Walter Mehring, aus: »Das Ketzerbrevier«
Musik: Franz-Josef Degenhardt
Quelle: Hein & Oss, Das sind unsere Lieder
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