Abitour
4/4-Takt
Jetzt ha’m wir’s geschafft, doch jetzt sind wir dran:
jetzt fängt der eigentliche Ärger an.
Das Zeugnis hab ich längst gekriegt,
doch ’n Beruf, der mir liegt, ist lang noch nicht in Sicht.
Refrain:
Abitur, Abitur, was mach ich denn nur
mit dem Fetzen Papier in der Hand?
Zuerst muss mal ein Ziviplatz her,
denn ich bin ja nicht blöd und geh zur Bundeswehr,
wo man dich ständig zusammenscheißt,
und du dann als Wache im Schnee vereist. Ich fang dann mal als Sänger an,
doch ihr hört ja selbst, dass ich das nicht kann.
Zwar kommen die schlechtesten Bands groß raus,
doch ich spiel wohl vor leerem Haus. ’Ne Glaserlehre gefiel’ mir sehr,
nur hat der Beruf keine Zukunft mehr:
Die Fenster werden abgeschafft,
weil alles nur noch in die Glotze gafft. Vielleicht werd ich Terrorist, wenn mir nichts Bess’res einfällt,
und mach jeden Tag ’n Anschlag für die Freiheit der Welt.
Aber ich glaub, das wird mir doch zu schwer,
denn es gibt ja kein Asyl mehr in der DDR. Ich geh als Striptease-Tänzer auf die Reeperbahn,
doch auf dem Weg dorthin werd ich überfahr'n.
Da komm ich gleich ins Leichenhaus
und zieh mich dort für die Toten aus. Ich glaub, ich mach erstmal den Waffenschein
und trete dann als Gangster in die Mafia ein.
Doch halt ich nicht das Maul, dann schwimm ich schon
morgen mit Stiefeln aus Stahlbeton. Ich werd ganz einfach Ölmagnat
und bestech’ mit mein’ Millionen nicht nur diesen Staat,
sorg für den nächsten Autoboom
und fahr' die Umwelt einfach um. Ich geh als Politiker zur Union:
Da muß ich nur loyal sein, und dann krieg ich meinen Lohn.
Aber als Arschkriecher bin ich doch
wohl einfach noch nicht schleimig genug?! Wer nix isch, und wer nix kâ,
goht zu Poscht und Bundesbâh’,
hieß es vormals, doch priva-
tisiert man jetzt – was nun, hey Staat ? Ich seh’s schon kommen: Am Schluss lieg ich krank
und halbtot auf ’ner Stadtparkbank,
hab nach meinem Abitur
ein Studium und drei Lehren, doch was mach ich nur?
Hraban 11/91 (zum Abi 5/92)
Text und Musik dieses Werks stehen unter einer Creative Commons-Lizenz.
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