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Fröut iuch!

„Fröut iuch, junge und alte!
der meie mit gewalte
den winder hât verdrungen,
die bluomen sint entsprungen.
wie schôn diu nahtegal
ûf dem rîse ir süeze wîse
singet, wünneclîchen schal!

 

„Freut euch, ihr Jungen und Alten!
Der Mai hat mit Macht
den Winter vertrieben,
die Blumen sind entsprossen.
Wie schön die Nachtigall
auf dem Zweig ihr liebliches Lied
singt, Freudenjubel!

Walt nu schône loubet.
mîn muoter niht geloubet,
der joch mit einem seile“,
sô sprach ein maget geile,
„mir binde einen fuoz,
mit den kinden zuo der linden
ûf den anger ich doch muoz.“

 

Der Wald bekommt schönes Laub.
Meine Mutter glaubt nicht,
dass, selbst wenn man mit einem Seil“,
so sprach ein fröhliches Mädchen,
„mir den Fuß festbände,
ich doch mit den Mädchen zu der Linde
auf den Anger muss.“

Daz gehôrte ir muoter:
„jâ swinge ich dir daz fuoter
mit stecken umbe den rugge,
vil kleine grasemugge.
wâ wilt dû hüpfen hin
ab dem neste? sitze und beste
mir den ermel wider in!“

 

Das hörte ihre Mutter:
„Ich werde dir schon das Futter
mit dem Stock auf den Rücken schwingen,
du winzige Grasmücke.
Wo willst du hinhüpfen
aus deinem Nest? Bleib sitzen und näh
mir den Ärmel wieder fest!“

„Muoter, mit dem stecken
sol man die runzen recken
den alten als eim sumber.
noch hiuwer sît ir tumber,
dan ir von sprunge vart.
ir sît tôt vil kleiner nôt,
ist iu der ermel abe gezart.“

 

„Mutter, mit dem Stecken
soll man die Runzeln glätten
den Alten, wie einer Trommel.
Ihr seid heuer noch dümmer,
als ihr ohnehin schon wart.
Ihr werdet noch an einer Lappalie sterben,
wenn euch nur der Ärmel abgerissen ist.“

ûf spranc sî vil snelle.
„der tievel ûz dir belle!
ich wîl mich dîn verzîhen;
dû wilt vil übel gedîhen.“
"Muoter, ich lebe iedoch,
swie iu troume; bî dem soume
durch den ermel gât daz loch.“

 

Sie fuhr hoch:
„Der Teufel spricht aus dir!
Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben,
aus dir wird nichts Gutes werden.“
"Mutter, ich bin wach und bei Verstand,
während ihr träumt. Am Saum
geht das Loch durch den Ärmel.“


T: Neidhart vom Reuental (Anfang 13. Jhd.)
M: Hraban vom Rauenegg 10/1999.
Die Vertonung versucht nicht, einen historischen Anspruch zu erfüllen. Da aber vermutlich die meisten Lieder Neidharts als Tanzlieder zu verstehen sind, war mir hier der Rhythmus wichtiger als die Melodie. Durch die Bordun-Begleitung ist das Stück mit Drehleier oder Dudelsack spielbar.

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